Haushaltsrede 2019

In seiner letzten Sitzung des Jahres hat der Kreistag Ennepe-Ruhr den Haushalt für das Jahr 2019 mit einer breiten Mehrheit verabschiedet. Ihre Zustimmung zu den Ausgaben des Kreises gaben auch die Freien Wähler / Piraten. In seiner Haushaltsrede beleuchtet unser Fraktionsvorsitzende Gerd Peters unter anderem die Herausforderung der Sanierung von Kreisschulen in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs.

Gerd PetersHerr Landrat, meine Damen und Herren,
unsere Fraktion hat überwiegend eine kommunalpolitische Perspektive. Auf die großen Themen der Politik möchte ich daher heute nicht eingehen, sondern ganz bodenständig über Baustellen im Ennepe-Ruhr-Kreis sprechen.
Und von denen hat die Kreisverwaltung, und damit auch wir alle, eine ganze Menge. Einige sind reale, also bautechnische, und da kommen in den nächsten Jahren noch einige hinzu, und dann gibt es noch politische Baustellen in der Verwaltung und bei den Beteiligungen.

Bei den ersten, den materiellen Baustellen, will ich deutlich und klar noch einmal die Position unserer Fraktion auch vor der Öffentlichkeit darstellen.
Wir haben dem Neubau des Verwaltungsgebäudes für das Jobcenter und für das Ausländeramt in Schwelm zugestimmt.
Wir befürworten den Bau eines Gefahrenabwehrzentrums in Ennepetal, hoffentlich mit einer sachgerechten Gebäudenutzung gemeinsam mit der Kreispolizeibehörde.
Wir erwarten, dass der Innenminister diesem vernünftigen Projekt seine Zustimmung geben wird und damit langfristig die eigene Polizeibehörde im Ennepe-Ruhr-Kreis sichert. Wenn das nicht geschehen sollte, müssen wir gemeinsam für die Leitstelle und eventuell für die Feuerwehrzentrale einen neuen Ansatz suchen.

Und wir haben, daran möchte ich erinnern, vor einem Jahr im Beschlussverfahren bei den Notfalleinrichtungen für die sinnvolle Aufgabenteilung zwischen Ennepetal und Witten unseren Beitrag geleistet.
Herr Landrat, meine Damen und Herren, unsere Fraktion von Freien Wählern und Piraten steht, das ist das Wichtigste, hinter der Kernsanierung der kreiseigenen Schulen. Wir befürworten die Zukunftsfestigung dieser Bildungseinrichtungen, selbstverständlich beim Brandschutz, aber auch bei der funktionalen Gebäudestruktur und bei der Anbindung an die digitalen Kommunikationsnetze. Das gilt für alle Schulen, sowohl für die Berufskollegs, für die Gesamtschule in Sprockhövel und für die Förderschulen. Und wir hoffen, dass diese grundlegenden Sanierungen für unsere neun Städte auch als Vorbild dienen werden, ihre eigenen Schulsysteme in Zeiten entspannter Kommunalfinanzen zu renovieren und zukunftssicher aufzustellen.
Für diese Baumaßnahmen werden wir viel Geld ausgeben müssen, im nächsten Jahr und auch in den Jahren danach. Dabei werden die Beträge vermutlich höher sein als die Zahlen, die wir als Schätzungen und Prognosen der Baukosten gehört haben. Wir sanieren schließlich Gebäude, die in die Jahre gekommen sind. Da gibt es eine Reihe von Unwägbarkeiten, und die Baupreisentwicklung wird noch Überraschungen bereithalten.
Aber, Herr Landrat, meine Damen und Herren,
das müssen wir durchstehen. Wenn wir die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen und davon überzeugen können, dass wir bei den kreiseigenen Bildungseinrichtungen das Richtige tun, dann sind wir bei diesen beispiellos großen Investitionen in der jüngeren Geschichte des Ennepe-Ruhr-Kreises auf dem richtigen Weg – Halbherzigkeiten geben keinen Sinn.

Bei der Gesamtschule Sprockhövel haben wir die Initiative ergriffen noch einmal darüber nachzudenken, ob der geplante Spareinschnitt in die neue Gebäudestruktur nicht besser zurückgenommen werden sollte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir die ursprüngliche Planungskubatur beibehalten, dann wird die Gesamtschule auf Jahrzehnte davon funktional und pädagogisch profitieren. Dazu können wir im Laufe dieser Kreistagssitzung den Beschluss fassen.

Herr Landrat, meine Damen und Herren,
ich hoffe, wir sind uns in der Zielrichtung für die vielen Bau- und Sanierungsprojekte einig: Edelgebäude und Luxussanierungen will niemand, aber sowohl bei unserer Bildungsinfrastruktur als auch bei den neuen Funktionalgebäuden des Kreises müssen wir einen zukunftssicheren Kurs halten und im Ergebnis eine solide Gebäudesubstanz bewirken. Und dafür sind erhebliche Anstrengungen nötig. Das stellt die Kreispolitik natürlich vor besondere finanzielle Herausforderungen.

Doch, meine Damen und Herren, wir haben es immer noch mit einer außergewöhnlich günstigen Lage auf dem Markt für Kommunalkredite zu tun. Die extrem niedrigen Konditionen müssen wir ausnutzen. Das Zinstief in der Eurozone wird nicht dauerhaft so bleiben. Das widerspräche jeglicher ökonomischen Erfahrung. Der Abstand zum Dollarraum ist schon erheblich und er wird weiter wachsen. Das wird zur Folge haben, dass auch bei uns die Finanzierungskosten steigen werden, spätestens im übernächsten Jahr. Abwarten bei unseren Investitionen könnte also sehr teuer werden.

Herr Landrat, meine Damen und Herren, die Kreisverwaltung erfährt zur Zeit offensichtlich in einigen Ämtern, vor allem bei der Bauverwaltung, die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Unsere Fraktion will eine schlanke Verwaltung. Aber wir sind offen dafür, wenn Personalkapazitäten angepasst werden müssen, auch nach oben. Wenn wir ein nachvollziehbar sinnvolles Konzept einer langfristigen Personalwirtschaft erkennen mit Bedarfsflexibilität an der einen oder Qualitätszuwachs an der anderen Stelle, dann werden wir entsprechenden Stellenplänen zustimmen, heute und auch in Zukunft. Wir müssen aber erwarten können, dass die Leistungsbereitschaft und die Leistungserbringung jedes einzelnen Mitarbeiters der Kreisverwaltung genauso wichtig sind wie die Sicherheit eines Arbeitsplatzes im öffentlichen Dienst. Da darf es keinen Unterschied geben zu den Anforderungen in den privatwirtschaftlichen Sektoren.

Unsere Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass der Ennepe-Ruhr-Kreis bei der Ausbildung von jungen Mitarbeitern erhebliche Anstrengungen unternimmt.
Die erfolgreichen Absolventen in den verschiedenen Verwaltungsberufen bilden die Mitarbeiterbasis der Zukunft. Eine Behörde sollte nicht von den Zyklen des Arbeitsmarktes abhängig sein.

Herr Landrat, meine Damen und Herren,
zu den politischen Baustellen des Ennepe-Ruhr-Kreises gehört zweifellos das aufgelaufene Defizit bei den Rettungsdienstgebühren. Hier haben wir es bei einem Bruttoverlust von über 12,5 Mio. Euro sicherlich mit einem erheblichen‚ Verwaltungsversagen‘ zu tun. Wir anerkennen das strikte Bemühen der Verwaltungsleitung, den Nettoverlust so gering wie möglich zu halten und durch rechtzeitige Gebührensatzungen einige Verlustjahre der Vergangenheit rückwirkend aufzufangen. Diese Beschlüsse haben wir mitgetragen. Doch ein Schaden von 6,5 Mio. Euro bleibt für die Steuerzahler bestehen, und die Verantwortlichkeiten sind bis heute nicht geklärt.
Selbst wenn sich herausstellen sollte, und ich hoffe das, dass kein Mitarbeiter der Kreisverwaltung, also kein Sachbearbeiter und kein Vorgesetzter, im zivil- oder im dienstrechtlichen Sinne verantwortlich gemacht werden kann, so muss doch durch eine strikte Organisations- und Ablaufüberprüfung der Prozesse in dieser Kreisverwaltung sichergestellt werden, dass sich ähnliche Fehler auch bei viel geringeren Schadenspotentialen nie wiederholen können. Ich bin mir sicher, Herr Landrat und Frau Kreisdirektorin, dass Ihnen die besondere Dramatik der Defizite im Rettungsdienst auch in ihrer öffentlichen Wirkung bewusst sind.

Dennoch, Herr Schade und Frau Pott, das Grundvertrauen unserer Fraktion in Ihre Amtsführung haben Sie.
Aber bemühen Sie sich bitte um ständige Optimierung der Verwaltungsprozesse und führen Sie sichere Kontrollen ein, damit sich die Bürgerinnen und Bürger und auch unsere neun Städte auf die Qualität der Kreisverwaltung verlassen können.

Meine Damen und Herren, zu den politischen Baustellen dieses Kreises gehört leider seit vielen Jahren die kreiseigene Verkehrsgesellschaft VER. Es gibt externe, aber auch immer noch interne Probleme, die den Defizitabbau der Firma erschweren. Ich begrüße im Namen unserer Fraktion ausdrücklich, dass seit diesem Jahr im Kreisausschuss über die Beteiligungen von den Unternehmensleitungen und von der Verwaltung regelmäßig informiert wird. Das ist ein deutlicher Fortschritt.

Zum ÖPNV kennen Sie unsere Position. Wir brauchen im Kreis einen attraktiven und die gesamte Kreisfläche abdeckenden Personennahverkehr, zu dem die VER den Hauptbeitrag leisten soll. Die Gesellschaft ist wichtig. Und wir sehen die Chance, dass sie in der Partnerschaft mit der Bogestra und unter der neuen Unternehmensleitung endlich erfolgreich wirtschaften kann.

Herr Landrat, meine Damen und Herren,
der Haushalt des Ennepe-Ruhr-Kreises für das Jahr 2019 ist ein riesiges Zahlenwerk. Über den größten Teil davon erreichen Sozialleistungen der staatlichen Ebene die Bürgerinnen und Bürger des Kreises. Diese Mittel unterliegen nicht unserer politischen Gestaltungsmöglichkeit.

Wir wissen alle, dass der kommunalpolitisch beeinflussbare Anteil nur klein ist. Unsere Fraktion hält die Ansätze dazu für nachvollziehbar. Auf Einzelaspekte möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen. Der Haushaltsentwurf erscheint unserer Fraktion insgesamt als ausgewogen und zustimmungsfähig.

Herr Landrat, Frau Kreisdirektorin,

übermitteln Sie bitte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kreisverwaltung und der Polizei unsere Anerkennung für die geleistete Arbeit im vergangenen Jahr.

Die Fraktion von Freien Wählern und Piraten stimmt dem Haushaltsentwurf für 2019 einschließlich des Ansatzes der Kreisumlage in der Höhe von 44,44 Punkten zu.

Ich danke Ihnen.