Haushaltsrede 2017

In seiner letzten Sitzung des Jahres hat der Kreistag Ennepe-Ruhr den Haushalt für das Jahr 2017 mit einer breiten Mehrheit verabschiedet. Ihre Zustimmung zu den Ausgaben des Kreises gaben auch die Freien Wähler / Piraten. In seiner Haushaltsrede beleuchtet unser Fraktionsvorsitzende Gerd Peters unter anderem die Bewältigung der Flüchtlingskrise aus kommunaler Sicht.

Herr Landrat, meine Damen und Herren,
vor einem Jahr hatte die Flüchtlingskrise mit dem Zustrom von fast 900000 Menschen in unser Land alle Themen überschattet und alle politischen Ebenen bis zur Grenzbelastung beschäftigt.

Heute, nach einem Jahr Abstand, kann man frei nach den Worten der Bundeskanzlerin sagen: Ja, wir haben es geschafft!! Ja, Deutschland hat es geschafft, unsere Gesellschaft hat es geschafft, und auch die Menschen und unsere Städte der Ennepe-Ruhr-Kreis haben es geschafft; im Großen und Ganzen wurde diese erhebliche Herausforderung gut gemeistert.
Daher möchte ich am Jahresende 2016 im Namen der Kreistagsfraktion von Freien Wählern und Piraten unsere Anerkennung aussprechen gegenüber allen Menschen in diesem Kreis, die mit großem Engagement dazu beigetragen haben, die hinzugekommenen Menschen zu versorgen und ihnen in ihrer oft bedrückenden Lebenslage zu helfen. Dazu zähle ich natürlich auch all die Organisationen, die mitgewirkt haben, und auch viele Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltungen, die dabei mehr als ihren üblichen Dienst versehen haben.
Herr Landrat, übermitteln Sie bitte bei all Ihren formellen und informellen Gelegenheiten diesen Personen die Anerkennung unserer Fraktion und, ich vermute, auch der meisten Mitglieder dieses Kreistages.
Natürlich, das ist offensichtlich, gab es auch Irritationen in Teilen unserer Gesellschaft; natürlich wurden auch Lücken offenbart in Teilen unserer Gesetzgebung und Schwächen bei den Abläufen in den Behörden, vor allem auf Bundesebene. Und es gab leider bei einigen Menschen Tendenzen zur Radikalisierung. Die alte Fremdenangst, die Xenophobie, die trotz aller Informationen und trotz aller Aufklärung jede Gesellschaft irgendwann erfassen kann, brach an einigen Stellen durch und führte uns vor Augen was geschehen kann, wenn manche Bürger in der Angst vor Fremdheit nicht mehr hinter einer offenen und toleranten Gesellschaft und hinter dem demokratischen Rechtsstaat stehen.
Dabei sollten wir natürlich anerkennen, dass einige Bedenken und auch Befürchtungen durchaus berechtigt sein können. Dann muss das Verwaltungshandeln, dann müssen evtl. auch Gesetze angepasst werden.
Doch das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte, die Grundsätze des Schutzes für Flüchtlinge, die Humanität und auch die Gastfreundschaft dürfen nie infrage gestellt werden.  Populisten und Radikale, die dieses alles nicht mehr wollen und die grundlegende Werte unseres Gemeinwesens ablehnen, sind in unserem Land und auch in unserem Heimatkreis Minderheiten, ich sage ausdrücklich kleine Minderheiten, die keine Chance haben, die demokratisch gefestigte gesellschaftlich Grundstimmung und auch die politischen Entscheidungen zu beeinflussen – auch nicht bei den anstehenden Landtags- und Bundestagswahlen.

Herr Landrat, meine Damen und Herren,
wir können stolz sein auf das, was während der Flüchtlingskrise in den vergangenen eineinhalb Jahren geleistet wurde. Aber wir sollten uns bei einer Sache nichts vormachen: die Akzeptanz von illegaler, ich betone ‚Illegaler‘,  Einwanderung wird in unserer Gesellschaft stark sinken, und das wäre ein Antriebsmoment für den Erfolg von Populisten bei uns und auch in jedem anderen Land.
Kein Staat kann auf die Kontrolle über seine Zuwanderung verzichten. Daher braucht Deutschland dringend ein Zuwanderungsgesetz, was nach dem Vorbild der klassischen Einwanderungsländer den ökonomisch motivierten Migrationsstrom in unser Land hinein regelt, völlig unabhängig von Asyl- und Flüchtlingsfragen und mit der einzigen Ausnahme der Freizügigkeit für alle Menschen innerhalb der Europäischen Union, diese sollten wir bei allem Krisengerede in der EU auf jeden Fall verteidigen. Ich kann nur begrüßen, dass die SPD-Bundestagsfraktion vor wenigen Wochen genau ein solches Gesetz gefordert hat und hoffen, dass es nach der Bundestagswahl zu einem entsprechenden Gesetzgebungsverfahren kommt.

Herr Landrat, meine Damen und Herren,
auf der kommunalen Ebene spielen die Finanzierungsbedingungen in der Flüchtlingskrise eine große Rolle. Die Städte und Gemeinden brauchen, darüber sind wir uns wohl alle einig, eine solide und sichere Erstattungsgrundlage, die die Voraussetzung für die Bewältigung ihrer Anstrengungen sein muss. Was das Land NRW in den Jahren 2015 und 2016 dazu geleistet hat, liegt weit hinter anderen Bundesländern zurück und war in seiner pauschalierenden Systematik nicht zufriedenstellend. Erst im nächsten Jahr, also 2017, soll es für die Städte und Gemeinden Erstattungen nach den konkreten Flüchtlingszahlen geben. Auch hierbei werden nicht alle Bedürfnisse der Kommunen gedeckt, z. B. bei der Refinanzierung der längerfristig geduldeten Menschen, sofern diese noch kommunale Hilfen benötigen. Wir sollten immer wieder gegenüber der Landesregierung und dem Landesgesetzgeber einmütig betonen: Die Flüchtlingskrise ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, daher brauchen die Kommunen eine hundertprozentige Erstattung ihrer Kosten, ganz gleich ob indirekt durch den Bund oder direkt durch das Land. Erst dann können die Städte und Gemeinden ihre Aufgaben bei Asylbewerbern und Flüchtlingen erfüllen, ohne selbst in Schieflage zu geraten, was den Populisten und Radikalen wieder Wasser auf ihre Mühlen leiten würde.

Herr Landrat, meine Damen und Herren,
vor zwei Jahren wurde an dieser Stelle der Solidarpakt Ennepe-Ruhr beschlossen. Unsere Fraktion gehörte damals nicht zu den Antragsstellern. Wir hatten uns aber voll hinter den Solidargedanken zwischen dem Kreis und den neun Städten gestellt und gehofft, dass substanzielle Schritte bei den Städten untereinander und zwischen den Städten und dem Kreis beim Verwaltungshandeln möglich wären.
Das Ziel waren spürbare Effizienzgewinne, die die kommunalen Haushalte im Ennepe-Ruhr-Kreis entlasten könnten. Inzwischen, nach mehreren Sitzungen des Lenkungskreises, wissen wir: Gemeinschaftsprojekte wird es nach heutigem Stand nur in begrenztem Umfang und nur bei Randthemen der kommunalen Verwaltungspraxis geben. Auch das ist für sich sinnvoll und gut, aber es ist kein großer Wurf, und es gibt offensichtlich keine Chance, die explodierenden Jugendamtskosten durch Zusammenlegungen der Jugendämter zu begrenzen. Für 330000 Einwohner braucht man keine acht Jugendämter. Es reichen auch zwei oder drei oder sogar nur ein einziges Kreisjugendamt, wie es in anderen Kreisen in NRW völlig normal ist.
Ähnlich ist es bei unseren Sparkassen, bei denen jüngst ein Konzentrationsprozess anläuft, übrigens aus den Nöten der Zinsmarge angetrieben.  Leider geht dieser Orientierungsprozess teilweise über die Kreisgrenzen hinweg und völlig an der Kreispolitik vorbei. Auch bei den kommunalen Geldinstituten sind Zusammenschlüsse sinnvoll, warum reicht nicht jeweils eine Sparkasse im Südkreis und eine im Nordkreis oder sogar eine gemeinsame Kreissparkasse.
Wenn dann irgendwann nach dem langen Zinstief mal wieder ordentliche Erträge anfallen, dann könnten diese Mittel bei wesentlich besseren Kostenstrukturen durch direkte oder indirekte Ergebniszuflüsse die kommunalen Haushalte deutlich stärker entlasten. Uns ist klar, dass alle kommunalen Einrichtungen und Behörden sehr unterschiedlich sind, aber vermutlich gibt es, erlauben Sie mir das Bild, nicht zu viele Indianer aber auf jeden Fall zu viele Häuptlinge, die die Kostenstrukturen verteuern. Weniger Vorstände, weniger Amtsleiter, eine bessere Auslastung des qualifizierten Personals müssten das Ziel sein.
Wir wissen natürlich, dass sowohl Sparkassen als auch Jugendämter als auch Bauhöfe als auch Feuerwehren als auch Schwimmbäder und vieles anderes mehr in den originären Zuständigkeiten der Städte und Gemeinden liegen, doch in diesen Bereichen befinden sich die großen Effizienzpotentiale, die man bei sinnvollem Gemeinschaftshandeln unserer Städte und des Kreises nutzen könnte.

Herr Landrat, meine Damen und Herren,
die Zukunftsfähigkeit unseres Kreises hängt erheblich von der öffentlichen Infrastruktur ab, das sind heute natürlich nicht nur Straßen und Schienen und Abwasserkanäle, das ist in unserer Zeit auch die digitale Infrastruktur, das sind die Kommunikationsnetze, die sowohl für die privaten Nutzer als auch vor allem für die Wirtschaft in hoher Leistungsfähigkeit für die Welt von morgen unabdingbar sind.
Die gemeinsame Breitbandinitiative, ebenfalls vor zwei Jahren an dieser Stelle durch einen Antrag aller Fraktionen beschlossen, war ein wichtiger Schritt. Inzwischen hat sich viel getan:
Erstens bei uns auf Kreisebene; die Dinge entwickeln sich, es gibt Fortschritte, immer größere Teile des Kreises haben inzwischen schnellere Internetanschlüsse.
Zweitens bei der zunehmenden Erkenntnis im Bund und im Land, dass die Entwicklung beschleunigt werden muss, durch schnelleren Ausbau, durch mehr Wettbewerb bei den Anbietern, durch größere Orientierung auch auf die ländlichen Regionen und vor allem in der Ausrichtung an modernste Standards. Das bedeutet für uns, und ich bin sehr zufrieden, dass offensichtlich alle Fraktionen, alle Entscheidungsträger zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommen: Ausbau von Glasfasernetzen im ganzen Kreis, in allen Städten und so schnell wie möglich.
Nur so können die Datenmengen der Zukunft bewältigt werden, nur so können die Menschen und die Wirtschaft im Ennepe-Ruhr-Kreis mithalten, nur so können die Arbeitsplätze und die Industrie erhalten bleiben im weltweiten Wettbewerb und bei der Standortkonkurrenz in Deutschland.

Herr Landrat,  meine Damen und Herren,
der Haushaltsentwurf für 2017 erscheint unserer Fraktion insgesamt als ausgewogen im Zielkonflikt zwischen der sinnvollen Aufgabenerfüllung des Kreises und der möglichst geringen Belastung der Städte durch die Umlage. Der gemeinsame Antrag, der die Kreisumlage bei 47,9 Hebesatzpunkte festsetzen soll und damit 0,26 Hebesatzpunkte niedriger als von der Verwaltung vorgeschlagen, wird den Städten etwas Luft verschaffen bei ihren Finanzplanungen für das nächste Jahr und dem Kreis entsprechende Sparanstrengungen abverlangen. Das wird machbar sein, das ist sinnvoll, das erleichtert es den Städten im Kreis zu handeln.

Herr Landrat, Frau Kreisdirektorin,
übermitteln Sie den Mitarbeitern der Kreisverwaltung und der Polizei unsere Anerkennung für die geleistete Arbeit im vergangenen Jahr.

Die Fraktion von Freien Wählern und Piraten stimmt dem Haushaltsentwurf für 2017 einschließlich des Ansatzes der Kreisumlage auf der Basis des Gemeinschaftsantrags von 47,9 Punkten zu.