Haushaltsrede 2018

In seiner letzten Sitzung des Jahres hat der Kreistag Ennepe-Ruhr den Haushalt für das Jahr 2018 mit einer breiten Mehrheit verabschiedet. Ihre Zustimmung zu den Ausgaben des Kreises gaben auch die Freien Wähler / Piraten. In seiner Haushaltsrede beleuchtet unser Fraktionsvorsitzende Gerd Peters unter anderem das Aufkeimen von Rechtspopulismus in Zeiten großer kommunaler Herausforderungen.

Herr Landrat,
meine Damen und Herren,

Das bestimmende Thema der letzten beiden Jahre, die Flüchtlingskrise, ist administrativ weitgehend bewältigt und der Zustrom von Migranten hat deutlich abgenommen. Dabei, und das freut mich besonders, ist das Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger bei der Integration dieser Menschen in unser Gemeinwesen nach wie vor groß.
Aber im Nachklang der Krise hat es offensichtlich Veränderungen gegeben: Tiefe Vorbehalte gegenüber der Politik und den Politikern werden in unserer Gesellschaft sichtbar. Viele Menschen haben Ängste vor Überfremdung, vor sozialer Überforderung oder bangen trotz blendender Wirtschaftsdaten um ihren Lebensstandard. An den Wahlergebnissen dieses Jahres konnten wir es ablesen: Nicht mehr alle Bürgerinnen und Bürger vertrauen den Politikern der traditionellen Parteien, vor allem den beiden großen. Dafür haben rechtspopulistische Kräfte an Bedeutung gewonnen, Parteien, die Vorurteile schüren, Ängste ausnutzen und fast immer nur Scheinlösungen anbieten.
Auch in Nordrhein-Westfalen hat in diesem Jahr die AfD in vielen Städten und Gemeinden zweistellige Wahlergebnisse erzielt. In unserem Land sind die Anteile noch deutlich geringer als in Süd- und besonders in Ostdeutschland. Aber wir dürfen uns nichts vormachen: Wenn auch eine Kommunalwahl stattgefunden hätte, dann säße die AfD mit großen Fraktionen in unseren Stadträten und in diesem Kreistag.

Herr Landrat, meine Damen und Herren,
wir machen hier in diesem Kreistag wie auch in Vertretungen unserer neun Städte nur Kommunalpolitik.
Aber auch auf dieser Ebene müssen manchmal wichtige Entscheidungen zu brisanten Themen getroffen werden, das sehen wir gerade heute bei dieser langen Tagesordnung. Unsere Entscheidungen betreffen die Zukunft des Kreises in der Organisation der Daseinsfunktionen und oft natürlich auch direkt das Leben der Menschen.
Vor diesem Hintergrund haben wir in diesem Jahr gelernt: Wir müssen die Menschen mitnehmen und ihnen Entscheidungen der Politik erklären, auch auf kommunaler Ebene. Wir müssen die Prozesse transparent machen, so weit es geht. Wir sollten die Konsequenzen erklären, die positiven und die negativen. Aber es dürfen bei den Bürgerinnen und Bürgern weder Ratlosigkeit noch Ängste entstehen. Ob der Rettungswagen kommt, ob es dabei mit rechten Dingen zugeht, ob die Busse noch fahren, oder ob die Verkehrsgesellschaft schon pleite ist, diese Fragen dürfen sich die Menschen nicht stellen. Denn dann eröffnen sich Chancen für populistische und radikale Parteien, die einfache Antworten haben und die diesen Staat verändern wollen.

Meine Damen und Herren,
lassen Sie uns ruhig Kurs halten. Lassen Sie uns die Probleme lösen, lassen Sie uns Skandalisierungen vermeiden und die Menschen bei den Lösungen mitnehmen.
Zu den Themen, zu denen Antworten erwartet werden, gehört natürlich die VER. Ich glaube, wir verrennen uns dabei langsam in einen investigativen Konjunktiv, also die Frage „was hätte geschehen können, wenn…?“. Ich will nichts beschönigen, erst recht nicht die unsägliche Betriebsrentenreglung. Doch die Management-Fehler der Vergangenheit haben zum Glück nicht zum Zusammenbruch des Unternehmens geführt. Wir wollen dieses Unternehmen erhalten. Wir wollen sichere und komfortable Nahverkehrsverbindungen, auf die sich die Menschen verlassen können. Wir wollen auch, dass der ganze Kreis damit erschlossen wird, auch die ländlichen Regionen. Daher wird der Sanierungskurs für die VER von unserer Fraktion voll unterstützt.
Dazu gehört übrigens, dass es mittelfristig noch erhebliche Defizite und Belastungen für den Kreis geben wird. Die Rentenregelung wird erst mit einer langen Übergangsfrist auslaufen und noch über Jahrzehnte die Ertragslage belasten. Die Sanierung des Unternehmens wird dazu führen, dass die VER die kleine Schwester der großen Schwester BOGESTRA wird. Und das ist auch gut so. Wichtig ist, dass die Schwächen in den Kontrollprozessen der Vergangenheit zwischen einer Gebietskörperschaft als Eigentümerin und ihrem öffentlichen Verkehrsunternehmen abgestellt werden. Da ging es offensichtlich zu wie zwischen zwei Behörden, also wie z. B. zwischen Polizei und Zollverwaltung. Man stellt die Entscheidung der anderen Behörde grundsätzlich nicht in Frage.
Aus den Problemen der VER ergeben sich für unsere Fraktion aber auf jeden Fall folgende Konsequenzen. Jegliche Versuche, die vielleicht in Zukunft aufkommen könnten, die Defizite der VER durch weitere Leistungseinschränkungen im öffentlichen Personennahverkehr abzufedern, werden auf unseren entschiedenen Widerstand stoßen. Die Probleme des Unternehmens können nur durch gutes Management, durch einen kooperativen Betriebsrat und durch die Anlehnung an die Kostenvorteile der viel größeren BOGESTRA gelöst werden.

Dazu kommt ein zweiter Punkt:
Die Kontrolle der Beteiligungen des Ennepe-Ruhr-Kreises, wozu ja noch mehrere Unternehmen und nicht nur die VER gehören, muss strukturell neu aufgestellt und personell verstärkt werden. Das liegt in der Verantwortung des Landrates. Und für die Kreispolitik brauchen wir in Zukunft ein Format der dauerhaften politischen Begleitung der Unternehmen mit Kreisbeteiligung, also über die Aufsichtsräte hinaus. Ich begrüße es, dass sowohl der Landrat als auch andere Fraktionen Ankündigungen in diesem Sinne gemacht haben.

Herr Landrat, meine Damen und Herren,
angesichts der verabredeten Zeitbeschränkung der Haushaltsreden will ich auf die vielen noch spannenden Themen der Kreispolitik an dieser Stelle nicht weiter eingehen, auch nicht auf Einzelaspekte des Haushaltes für 2018.
Der Entwurf erscheint unserer Fraktion insgesamt als ausgewogen und zustimmungsfähig. Der Ennepe-Ruhr-Kreis finanziert die grundlegende Modernisierung des kreiseigenen Schulwesens und investiert erhebliche Mittel für die Neubauten der Jobagentur, des Ausländeramtes und eines Gefahrenabwehrzentrums. Dazu stehen wir.
Die Belastung der Städte durch die Umlage soll natürlich so gering wie möglich sein. Aber auf der anderen Seite müssen große Investitionen und eine funktionsfähige Verwaltung finanziert werden.

Herr Landrat, Frau Kreisdirektorin,
übermitteln Sie bitte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kreisverwaltung und der Polizei unsere Anerkennung für die geleistete Arbeit im vergangenen Jahr.

Die Fraktion von Freien Wählern und Piraten stimmt dem Haushaltsentwurf für 2018 einschließlich des Ansatzes der Kreisumlage in der Höhe von 46,06 Punkten zu.