Haushaltsrede 2020
Herr Landrat, meine Damen und Herren,
wir beschließen heute den Haushaltsplan für das Jahr 2020 und, bei allen wichtigen und interessanten Themen der Kreispolitik, geht es im Kern um die Finanzlage des Staates und konkret um unseren Ennepe-Ruhr-Kreis, dessen Haushalt eingebettet ist in die großen Linien des gesamtstaatlichen Steueraufkommens und der öffentlichen Finanzströme. Und dazu kann man feststellen, dass wir auf drei Jahre außerordentlichen Steueraufkommens zurückblicken können. Und dieses wird sich trotz etwas nachlassender Konjunktur auch im Jahre 2020 fortsetzen. Das bedeutet, die allgemeine Finanzlage des Staates und seiner Ebenen und Nebenhaushalte ist gut und bleibt auch vorläufig gut. Auch die Kommunen haben eine wesentlich entspanntere Haushaltslage als früher. Für unsere Städte im Kreis heißt das, dass bei steigender Bemessungsgrundlage, also bei steigenden kommunalen Steuern, die ja nur die Gemeinden einnehmen, der Zahlbetrag der Kreisumlage steigen wird, auch wenn wir den allgemeinen Erhebungssatz senken können. Das finden die Stadtkämmerer nicht so gut, was ich in ihrer Rolle verstehen kann. Doch es ändert nichts daran: Bund, Länder, Kreise und Städte können im nächsten Jahr eine auskömmliche Finanzausstattung erwarten. Auch die hohe Verschuldung, die leider viele Städte immer noch vor sich herschieben, geht zurück, und der Investitionsstau kann teilweise abgebaut werden. Ich will es an dieser Stelle aus unserer Sicht deutlich sagen: Schuldenfreiheit der Kommunen ist trotz niedriger Kreditkosten auch heute noch das Ziel. Schulden nehmen langfristig politischen Spielraum. Und wenn die Zeiten hoher Zinsen wiederkommen, dann erdrücken sie die Städte und Gemeinden und zerstören die kommunale Selbstverwaltung.
Wir als ‚Freie Wähler Ennepe-Ruhr‘ begrüßen auch ausdrücklich, dass durch die Novellierung des NKF eine sehr weitreichende buchhalterische Entlastung der Kommunalhaushalte möglich ist. Den Kreis betrifft es mit seinem relativ geringen Anlagevermögen weniger. Doch die Städte können schon seit diesem Jahr mit dem Komponentenansatz bei Investitionen z. B. im Straßenbau
langfristige Abschreibungen ansetzen, wo bisher die vollständige Finanzierung aus laufenden Erträgen nötig war.
Herr Landrat, meine Damen und Herren,
wir kennen seit Jahren das Verfahren der Beteiligung der Städte bei der Aufstellung des Kreishaushaltes, die sogenannte ‚Benehmensherstellung‘. Einige Kämmerer schreiben mehr, andere weniger – bis zu einer halben Seite. Einige Städte stellen ihr Benehmen her, andere nicht. Bedeutung hat das alles nicht!
Seit diesem Jahr wurde das Verfahren geändert. Eine öffentliche Anhörung der Städte im Kreisausschuss ist jetzt Pflicht. Das führte bei uns zu einer 5-Minuten Sitzung des KA, ohne dass eine der kreisangehörigen Städte daran teilgenommen hätte.
Herr Landrat, ich kritisiere diese seltsame Sitzung nicht. Sie als Verantwortlicher mussten kurzfristig einer neuen Rechtslage genügen. Aber ich glaube, wir sind uns darin einig, dass sich dieses Verfahren so nicht wiederholen darf. Unsere Fraktion legt großen Wert darauf, die Städte in den Diskussionsprozess der Haushaltsaufstellung des Kreises besser einzubeziehen. In diesem Sinne sind wir mit der CDU einer Meinung. Aber es muss klar sein, dass damit natürlich weder direkt noch indirekt irgendein ‚Vetorecht‘ der Städte gemeint sein kann. Wir waren nicht sicher, welche Absichten im CDU-Antrag versteckt waren. Aber es darf keinen Zweifel daran geben, dass der Kreistag als gewählte Körperschaft aus eigenem Recht heraus souverän seinen Haushalt bestimmen kann. Für die Städtebeteiligung müssen wir in Zukunft ein vernünftiges Format finden, welches eine sinnvolle Diskussion zwischen den Städten und uns über die Kreisfinanzen beinhaltet.
Für die ‚Freien Wähler‘ steht außer Frage, dass der Ennepe-Ruhr-Kreis eine auskömmliche Finanzierung haben muss. So haben wir uns in den vergangenen Jahren immer bei den Abstimmungen zum Kreishaushalt verhalten und das werden wir auch heute wieder so halten. ‚Auskömmlich‘ bedeutet, dass sowohl die Personalausstattung als auch die vielfältigen Aufgaben des Kreises sicher finanziert werden können. Die stetig steigende Mitarbeiterzahl der Verwaltung sehen wir schon mit Sorge, selbst wenn man das Jobcenter heraus rechnet. Für
unsere Fraktion gilt: Personalkosten nur so hoch wie unbedingt nötig. Doch uns ist auch klar, dass steigende Aufgabenfelder und der Zwang zur attraktiven Vergütung für Fachkräfte die Kosten steigen lassen.
Herr Landrat, meine Damen und Herren,
das beherrschende Thema des vergangenen Jahres waren zweifellos die addierten Verluste von ca. 7,2 Mio. Euro aus den Rettungsdienstgebühren seit dem Jahr 2005. Inzwischen kennen wir mit Hilfe eines umfangreichen Gutachtens einer Wirtschaftsprüfergesellschaft die meisten Zusammenhänge, und die FDP hat in ihrem jüngsten Fragekatalog in juristischer Feinarbeit dazu beigetragen, einige weitere Details erkennen zu können.
Ich glaube, es ist Zeit dafür, eine politische Gesamtbewertung zu formulieren. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Kreises, die die umfangreiche Berichterstattung verfolgt haben, fragen natürlich nach der Verantwortung und den Konsequenzen. Und unbeschadet aller juristischer Auffangpositionen im Sinne von Klageoptionen, Regressforderungen oder dienstrechtlicher Konsequenzen sagen wir als ‚Freie Wähler‘: Alle Entscheidungsträger in den Jahren 2004/2005 haben einen grundsätzlichen Fehler gemacht, indem sie ein so komplexes System wie die Rettungsdienstabwicklungen auf zwei unabhängige Behörden verteilt haben. Das geschah natürlich in bester Absicht, eine gute Lösung gefunden zu haben. Die Fehlerquellen waren immens, und vermutlich waren die befassten Mitarbeiter der Kreisverwaltung und der Stadt Witten überfordert. In der Summe gab es, wie man es heute so ausdrückt, ein systemisches Versagen.
Die Entscheidungsträger haben die politische Verantwortung. Das waren an der Spitze der Verwaltung der damalige Landrat und der damalige Kreisdirektor, aber natürlich auch alle Kreistagsmitglieder, die in gutem Glauben dieses Verfahren beschlossen hatten. Davon sind einige noch aktiv, und von den heutigen Fraktionsvorsitzenden waren Herr Schwunk und ich schon dabei, und wenn ich mich hier so umschaue, Herr Schade war damals stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD und einige andere Damen und Herren aus allen Fraktionen waren zur Zeit der Grundsatzentscheidung schon Mitglieder dieses Kreistags.
Ich sage an dieser Stelle für mich persönlich gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern des Ennepe-Ruhr-Kreises ausdrücklich: Als Mitentscheidungsträger der damaligen Zeit, also als Kreistagsmitglied, übernehme ich auch Mitverantwortung. Wir haben damals ein falsches System beschlossen und einen nicht funktionierenden Zug auf die Schienen gesetzt. Das hatte niemand gewusst, und alle waren von einer sinnvollen rein verwaltungstechnischen Aufgabenteilung zwischen dem Kreis und der Stadt Witten überzeugt. Im Ergebnis war es falsch.
Und ich möchte zu diesem Thema noch zwei Dinge anfügen.
Zum einen wurden die Verluste im Endergebnis ungefähr halbiert, weil es gelungen war, ohne eine klare Rechtsposition die gesetzlichen Krankenkassen zur Verrechnung der jüngeren Defizite in die laufende Gebührenkalkulation zu bewegen. Meine Anerkennung an alle, die daran beteiligt waren.
Zum anderen ist es mir unerklärlich, dass das Rechnungsprüfungsamt des Kreises bei laufender Überprüfung aller Abläufe die systemischen Risiken beim Rettungsdienst nicht erkannt hatte. Rechnungsprüfung kann nicht nur dazu da sein, Zahlenkolonnen nachzuaddieren. Rechnungsprüfung muss auch Ablaufrisiken und Verlustpositionen erkennen.
Ein solcher Ablauf darf sich nicht wiederholen. Dann verlieren wir alle grundlegendes politisches Vertrauen in der Bevölkerung, und davon profitieren die Populisten und die Radikalen.
Herr Landrat, meine Damen und Herren,
Im Ganzen hält die Fraktion der ‚Freien Wähler‘ die Ansätze des Haushaltsplanes 2020 für nachvollziehbar, für stimmig und für ausgewogen. Sie wissen, dass wir nie der Meinung waren, unser Haushaltsplan müsse ‚auf Kante genäht‘ sein. Die Verwaltungsabläufe müssen sichergestellt werden, Investitionen müssen möglich sein und es muss auch noch etwas Luft für Unwägbarkeiten abgebildet werden. Als Umlagekörperschaft belasten unsere
Entscheidungen natürlich die Haushalte der Städte. Aber deren Bürgerinnen und Bürger kommen die Leistungen des Kreises zu Gute.
Herr Landrat, Frau Kreisdirektorin,
übermitteln Sie bitte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kreisverwaltung und der Polizei sowie allen Freiwilligen, mit denen Sie Kontakt haben, unsere Anerkennung für die geleistete Arbeit im vergangenen Jahr.
Die Fraktion der ‚Freien Wähler Ennepe-Ruhr‘ stimmt dem Haushaltsentwurf für das Jahr 2020 einschließlich des Ansatzes der Kreisumlage in der Höhe von 43,99 Punkten zu.
Ich danke Ihnen.